Alfons' Berliner Schnauze

Wirklichkeiten

Neulich wache ick uff eene schöne weiche Decke in Schatten von een Baum uff. Ick hebe mein Kopp und sehe vor mir een See. Wasser ist ja von die Elemente her so voll mein Ding. Ick will also ins Wasser, aber ick muss erst noch meine Führungskraft fragen, ob ick ooch darf. Aber meine Führungskraft ist gar nicht da. Statt meine Führungskraft sind andere Menschen da. Die haben alle een Halsband um und loofen uff alle Viere an die Leine rum. Een Mensch schreit een anderen an: „Ey Alter, halt Abstand, sonst mach ick Matsch aus dir!“ Der andere dreht den Kopp weg und tut so, als ob er dit nicht gehört hätte.


Andere Menschen in meine Nähe fangen gerade eine Rauferei an. Da kommen ooch schon die Besitzer von die Menschen. Die Besitzer von die Menschen sind Hunde, die uff zwee Beine loofen. In die Vorderpfote halten sie die Leine von die Menschen. Die Hunde rufen ihre Menschen zu sich und schimpfen mit ihnen.


Eene sehr hübsche Dogge unterhält sich uff die Wiese neben mir mit een sehr übergewichtigen Labrador über ihre Menschen.


Die Doggin: „Ach, die Doris ist wieder so heiß. Da muss ich immer auf der Hut sein. Ein paar Idioten lassen ja ihre unkastrierten Menschen frei herumlaufen.“
Der Labrador schiebt sein Mensch eene Praline in den Mund und antwortet: „Also mein Gerhard ist ein Prachtjunge. Der hat sogar schon Preise gewonnen.“
Die Doggin sabbert, wennse den dicken Labrador ankiekt und sagt: „Vielleicht lasse ich die Doris auch kastrieren. Dann ich muss mir keine Gedanken mehr machen und sie leidet nicht so unter ihrer Hitze.“
Der Labrador sagt: „Ich biete Gerhard zum Züchten an.“
Die Doggin rückt näher an den Labrador ran: „Wirklich? Wie oft hat er denn schon gedeckt?“
Der Labrador: „Natürlich darf sich Gerhard nur mit reinrassigen Frauen paaren. Ein Mischling kommt mir nicht ins Haus.“
Die hübsche Doggin gibt dem dicken Labrador ihre Visitenkarte. Derweil schnürt sich der geile Gerhard mit sein Halsband die Luft ab, weil er unbedingt zur Doris will. Die kiekt ihn nämlich immer noch sehr kokett an und wackelt mit ihren Hintern rum. Dit macht den Gerhard rasend. Dann will der dicke Labrador aber weiter und zerrte Gerhard an die Leine hinter sich her. Die Visitenkarte von die sabbernde Doggin schmeißt er in een Mülleimer, als sie nicht hinkiekt. Sein Gerhard hört überhaupt nicht mehr, weil der nur an Doris denkt und mit die Nase uffn Boden nach ihre Duftspuren suchen tut.
Uff meine Decke liegt eene Zeitschrift. Die heißt „Dit Recht der Menschen“. Da steht drinne, dit nicht nur Menschen Tiere sind, sondern Hunde ooch. Ick überlege kurz, ob dit stimmen könnte und komme zu die Überzeugung, dit ooch Menschen Gefühle haben, also sich freuen können oder Schmerz empfinden oder Trauer. Deshalb bin ick wütend, wie ick lese, dit an Menschen in Labore Experimente gemacht werden. In die Zeitschrift steht ooch drinne, dit Hunde, die Experimente an Menschen machen, Schweine sind, oder so ähnlich.


Weil meine Führungskraft immer noch nicht zu sehen ist, blättere ick weiter in die Zeitschrift rum. Hier mal een paar Beispiele aus dit Heft:

  • Bald geht die Feriensaison los. Viele Hunde wollen mit ihre Welpen in alle Ruhe Urlaub uff Majorka machen. Da könnse die Menschen aber nicht mitnehmen und überhaupt nervt so een Mensch nach gewisse Zeit mit all seine Bedürfnisse. Also ab mit die Menschen ins Tierheim. Die Hunde binden die Menschen dazu an een Zaun vor dit Tierheim an oder stellen sie in eine Kiste vor die Tür von dit Tierheim ab. Die Menschen werden dann von andere Hunde, die in dit Tierheim arbeiten, gerettet. Die Hunde in dit Tierheim kümmern sich mit viel Liebe und wenig Geld um die armen Menschentiere. Wenn die Menschen Glück haben, finden sie später mal een Hund, der sie aus dit Tierheim rausholt und mit nach Hause nimmt. Sonst bleiben die Menschen halt in dit Tierheim drinne. Die Hunde, die in een Tierheim arbeiten, sind echte Held*innen.
  • Besonders zu die Ferien, aber ooch nach Weihnachten und Ostern sind die Tierheime mit Menschen überfüllt. Ooch deshalb, weil manche Hunde ihre Welpen einfach een Mensch als Spielkamerad koofen und sich gar keene Vorstellung machen, was so een Mensch an Zuwendung braucht und wie viel der kosten tut. Außerdem muss so een Mensch ja ooch mal zum Arzt und essen will der ooch und zwar Menüs mit Lachs. (Okay, dit Letzte stand so nicht in die Zeitschrift. Dit hab ick dazu erfunden.)
  • Solche Hunde, die als Abgeordnete arbeiten, haben Listen gemacht mit Menschen, von die sie glooben, dit die besonders gefährlich sind. Dit sind die sogenannten Listenmenschen. Die beißen halt besonders oft andere Menschen oder manchmal ooch Hunde. Manche von die Listenmenschen haben schon Hunde totgebissen, andere nicht. Die Angelegenheit ist ooch deshalb schwierig, weil die Menschen halt aus een gefährlichet Raubtier herausdomestiziert wurden. Bei manche von die Menschen kann dit Raubtier vielleicht noch mal durchbrechen. Deshalb müssen aggressive Menschen een Maulkorb tragen und immer an die Leine loofen. In manche Bundesländer müssen wegen die Raubtierhaftigkeit von die Menschen vorsichtshalber alle Menschen immer an die Leine loofen. Menschenschützer*innen sind aber gegen die Listen und ooch gegen die allgemeine Leinenpflicht für Menschen. Die Menschenschützer*innen glooben, dit Problem ist immer der Hund, der sein Mensch nicht richtig erzogen hat oder zu wenig Ahnung von Menschen hat.
  • Hunde können deshalb Menschenführerscheine machen. Da tun sie lernen, wie man dit Verhalten von die Menschen richtig deutet, wie man Menschen richtig erzieht und füttert, welche Krankheiten Menschen kriegen können und viele andere Dinge über Menschen. Bei die praktische Prüfung müssen die Hunde zeigen, dit ihre Menschen immer dit machen, wat man ihnen sagen tut.
  • Hunde können Menschen nicht nur bei Züchter*innen koofen, sondern ooch in Internet. In Internet werden die Menschen besonders billig angeboten. Man darf aber nicht da druff rinfallen. Denn die Menschen, die so billig verkauft werden, sind oft krank und überhaupt soll man Menschen artgerecht halten und züchten und dit ist bei die Menschen aus dit Internet nie der Fall. Deshalb wäre dit schön, wenn der Internethandel mit Menschen verboten wird. Hunde sollen ihre Menschen lieber aus een Tierheim abholen. Da sitzen nämlich voll nette Menschen rum und warten uff neue Besitzer*innen.
  • Een wichtiges Thema scheint aktuell die Qualzucht zu sein. Hunde züchten nämlich Menschen, die sie besonders niedlich finden. Die haben dann keene richtige Nase und können deshalb nicht richtig atmen oder Glubschoogen, die sie nicht richtig zumachen können, oder voll krumme Beene, mit die sie nur mit Schmerzen loofen können, oder Hängebacken, aus die immer die Spucke runtertropfen tut. Also um dit mal uffn Punkt zu bringen, Hunde züchten Menschen mit schlimme Behinderungen, weil sie dit süß finden. Die Menschen leiden denn ihr ganzet Leben lang dadrunter. Also dit ist doch unhündisch, wennde mir fragen tust!


Mir reicht dit mit die schlimmen Geschichten aus die Zeitschrift und ick schäme mir sehr, een Hund zu sein. Ick steh uff und vertrete mir een bisschen die Beene, also die zwee, uff die ick loofen tue.
Neben dem See ist gleich een Parkplatz. Die Autos stehen in die pralle Sonne. Wie ick da ankomme, seh ick, wie een Mensch voll verzweifelt von innen an eene Autoscheibe kloppt. Er will raus aus dit Auto, weil dit da drinne irre heiß ist. Ick renne los und suche wie wild nach dem Besitzer von den Mensch, aber der ist nicht zu finden. Nach eine Weile liegt der Mensch japsend uff die Rückbank und die Zunge hängt ihm raus. Eene freundliche Hündin ruft die Polizei und die schlägt die Scheibe von dit Auto ein und rettet den Mensch in letzte Sekunde. Mann, bin ick froh! Hoffentlich kriegt der Hund eine ordentliche Strafe für Menschenquälerei.
Ich trabe zurück zu meine Decke unter dem Baum und lege mir hin. Plötzlich höre ick die Stimme von meine Führungskraft. Sie ruft von Weitem nach mir. Ick mache die Augen uff. Meine Führungskraft sitzt neben mir und krault mir den Kopp, so wie ick dit mag. Sie sagt: „Alfons, du Träumer. Komm, wir gehen ins Wasser.“ Ick schüttele mir kurz den Schlaf ab und schon bin ick uff die Beene und zwar uff alle viere, wie ick beruhigt feststelle. Nüscht wie ab ins Wasser. Ick brauche ne Abkühlung!


Euer Alfons


PS: Ick wünsche alle Wesen, egal ob uff zwee oder vier oder noch mehr Beene, een schönen Sommer! Ick habe jetzte Urlaub und kann deshalb erst in September wieder een Beitrag für euch machen.
(Zu mein Traum kann die bmt GST Berlin nüscht sagen. Da war sie ja nicht bei. Falls es dit „Dit Recht der Menschen“ wirklich geben tut, würde ick dit gern abonnieren.)

 

Johanna Stein


Lieber Alfons,
leider gibt es keine Möglichkeit, „Dit Recht der Menschen“ zu abonnieren, aber wir können dir gern „Das Recht der Tiere“ zuschicken. Das ist für bmt Mitglieder sogar kostenlos. Viel Spaß beim Lesen!
Dein Rolf von der bmt GST Berlin