Alfons' Berliner Schnauze

Über Paradiese

Also ick habe dieses elendige Rumschleichen an die Leine echt satt. Ick bin een junger Bursche. Ick stecke voll Energie. Ick will mir bewegen. Ick will spielen. Ick bin een Hund, verdammt noch mal, und keene Schnecke. Ick will ooch mal rennen, wie dit eben meine Natur als Hund entspricht. Aber Berlin hat die Hunde ja am Gängelband. Dieser Leinenzwang macht mir fertig. Ick kann ja nicht mal uff die Wiese zum Bällchen spielen. Ick leide.


Dit mit die Auslaufgebiete für Hunde in Berlin ist ja in die Theorie ganz nett, aber in die Praxis fahre ick eine Stunde mit dem Auto in die Gegend rum, bis wir in so een Gebiet sind. Die gibt dit nämlich nur am Rand von Berlin und fahren ist ooch übertrieben. Wir stehen eher mit dit Auto in Verkehr rum. Fahren tu ick nämlich ganz gern, aber immer, wenn wir länger rumstehen, fang ick an zu fiepen wegen die Langeweile und dit macht meine Führungskraft alle. Mit die Öffis kommste gar nicht hin.


Nu hatte aber meine Führungskraft eene Idee und damit tut sie gleich zwee Fliegen mit eine Klappe schlagen. (Ick weeß gar nicht, wie ick uff diesen Spruch komme. Sie lehnt dit Schlagen von Lebewesen nämlich grundsätzlich ab.) Erstens fahren wir Auto, so richtig wie ick dit mag - also schnell uff die Autobahn. In diese Hinsicht bin ick eben een richtiger Junge. Und zweitens sind wir kaum 20 min unterwegs und schon sind wir in Brandenburg. Brandenburg ist wunderschön. Da gibt dit Wege, Felder, Feldwege, Buschland, Wälder, Seen und riesige Wiesen, wo niemand ist. Brandenburg ist eene Art Paradies in meine Sicht und dit Beste ist: Da gibt dit keenen allgemeinen Leinenzwang. Ick kann rumrennen und dit macht mir een Spaß. Dit gloobste nicht.


Nu ist dit aber so, dass Menschen meine Beobachtung nach mit Paradiesen irgendwie nicht klarkommen. Dit hat jetzte nüscht mit mein Lieblingsland Brandenburg zu tun, sondern ist eher een allgemein gültiget menschlichet Prinzip, insbesondere in Bezug uff Tiere. Bei die Geschichte, die ick heute erzählen will, war dit so:
Wir loofen also so in die Brandenburger Gegend rum, bleibt meine Führungskraft plötzlich an so een Schild stehen und kiekt dit an. Dann isse plötzlich ganz uffgeregt, nimmt mir an die Leine und so schnell wir können - also eher so schnell, wie sie kann - rennen wir los. Ick habe da ja prinzipiell een Vorteil wegen die vier Pfoten, wie du aus meine Beiträge schon weeßt. Sie bemüht sich mit alle ihre Kraft, mit mir mitzuhalten. Da gibt dit plötzlich een Knall. Mann, hab ick mir erschrocken! Und sie erst!
Weeßte, wat nämlich uff dit Schild druffgestanden hat? Dit eene Jagd stattfindet. Ick dachte: Wie schön! Da rennen die Menschen Bällchen hinterher. Dann hamse also endlich verstanden, dat dit voll Spaß macht. Mach ick ja ooch voll gern. Eigentlich am liebsten von allet. Und dann bringen die Menschen halt die Bällchen zurück: Wat weeß ick zu wem! Vielleicht zu een anderen Mensch. Denn legen sie dem dit Bällchen vor die Füße und der freut sich dann ooch und gibt ihnen een Bananenchip. Dit war meine Vorstellung von jagen.
Meine Führungskraft sagt ooch manchmal zu mir: „Alfons, du alter Jagdhund!“ und schüttelt ihren Kopf dabei. Dit mit dem „alt“ sagt sie nur so. Da darf man keene Bedeutung druff legen. Und mit dem „Jagdhund“ damit meint sie, dit ick nicht genug davon kriegen kann, die Bälle hinterherzujagen. Aber so isset nicht, wenn Menschen jagen. Und dit würde ja ooch nicht erklären, warum dit dabei so knallt.
Gloobste nie, wat die in Wirklichkeit bei eene Jagd machen! Ick weeß dit aber jetze aus eigene Ansicht: Die stellen sich in eene lange Reihe in den Wald rin und dann ist dit nicht so, dass sie een paar Tiere fangen und wenn man sagt „Ab!“ lassen sie die Tiere wieder los wie bei een Bällchen, sondern die schießen die Tiere tot. Tot! Wirklich.
Ick kiek meine Führungskraft also ohne Verständnis an und denke: Wieso machen die dit denn? Ham die Hunger? Nee. Die machen dit zum Vergnügen. Wie beim Bällchen spielen, nur mit Tote. Wenn die Hunger hätten, na gut, aber einfach so zum Spaß, da komm ick nicht drüber weg. Also Entschuldigung mal: Ick dachte, wir sind zivilisiert, also ick und ihr! Ick dachte, Töten als Hobby, so wat gibt dit gar nicht.
Ick war jedenfalls froh, dit meine Führungskraft mir aus die Gefahrenzone rausgebracht hat und denke darüber nach, wie dit einzuordnen ist und wat von die Menschheit an sich zu halten ist.
Grundsätzlich bin ick ja davon überzeugt, dass der Mensch in gewisse Weise lernfähig ist. Also vielleicht jetzt nicht so wie een Hund. Aber een bisschen wat geht schon. Deshalb habe ick mir uff die Heimfahrt im Auto überlegt, ob man die komische Neigung von die Jäger nicht mit een bisschen konsequentes Training wieder hinkriegt. Ick meine, wahrscheinlich geht es denen ooch besser, wenn die nicht mehr jagen müssen. Man muss ihnen nur - wie bei jedes richtige Erziehungsprogramm - eine gute Alternative anbieten.


Aus meine Erfahrung kann ick sagen, dass z. B. Fange spielen voll Spaß macht. Ick würde mir also zur Verfügung stellen, um mit die Jäger dit neue Spiel zu üben. Dit geht so: Ick gehe mit een Jäger in Wald. Dann renn ick los und der Jäger rennt mir hinterher und versucht, mir zu fangen. Ick mach ooch am Anfang langsam. Ick habe nämlich gesehen, dit die Jäger nicht gerade sehr sportlich aussehen und manche sind ooch sehr alt. Ich loofe also höchstens Trab, keen Galopp. Versprochen. Und so nach eene Stunde oder so lass ick mir einholen und der Jäger, der mir hinterhergejagt ist, kriegt als Belohnung een Bananenchip. Dit hätte viele Vorteile:
•    Ick könnte mein Berliner Bewegungsmangel ausgleichen.
•    Die Jäger wären ihre Figurprobleme los.
•    Die Tiere im Wald könnten weiterleben.
•    Dit würde nicht so laut knallen, dat vor Schreck die Vögel aus ihre Nester kippen.


Meine Berliner Kumpel, also die Deutsche Boxerin Deborah, den Rottweiler Rowdy und den Dackelmix Rudi, hab ick schon gefragt: Die machen alle mit.
Wie wäre dit, ihr Jäger?

Alfons Rütter
Der Menschenprofi


(Meine hier jeäußerte Meinung zu Brandenburg und zur Jagd gibt wahrscheinlich schon ooch die Auffassung von die BMT GST Berlin wieder. Dit hier wurde im Zuge von die Meinungsfreiheit veröffentlicht und begründet sich in meine artspezifische Wahrnehmung als Canis lupus familiaris. Alfons)

Johanna Stein