Alfons' Berliner Schnauze

Über wahre Liebe und Männlichkeit

Im Rahmen von meine ungestüme Jugendlichkeit interessiere ick mir ooch für Wesen von dit andere Geschlecht, also in mein Fall für Hündinnen. Meine Lieblingshündin ist Emma. Emma ist natürlich weiß und klein und älter als ick, denn da druff steh ick nun mal. Ick weiß ooch, dit sich Emma manchmal in besondere Umstände befindet. Denn riecht sie noch besser als sonst. Dit muss man schon so sagen. Ooch andere Damen versuchen manchmal, mir mit eene olfaktorische* Verlockung zu beeindrucken. Bisher hatten die damit aber kein Erfolg. Ick lese zwar meistens sehr ausführlich alle Posts an die Laternen, Bäume und Büsche von meine Artgenossinnen und Artgenossen und sämtliche andere Tierinnen und Tiere, einschließlich der Menschen. Aber dit ist ja keen Grund, die dort hinterlassenen Aufforderungen ooch gleich Folge zu leisten. Generell tue ick ooch uff schwere Provokationen nicht reagieren. Dit kann ick mir deshalb leisten, weil ick eene stattliche Größe habe. Ick mach dit einfach so: Ick poste wat über die freche Nachricht rüber und schon hat sich die ganze Chose für mir erledigt. Über die Nachrichten von Emma freue ick mir aber immer wie wild und da schreibe ick ooch nüscht rüber, sondern renne zu meine Führungskraft, springe um sie rum und renne wieder zu die Nachricht. Dann grinst meine Führungskraft und sagt: „Ich weiß schon, du hast eine Nachricht von Emma bekommen.“ Uff ihre Weise ist meine Führungskraft ganz schön schlau. Jetzte nicht so wie een Hund, aber für die Möglichkeiten von een Mensch kann man dit durchaus anerkennen.


Neulich war aber irgendwat anders als sonst. Dabei ging dit nicht mal um Emma, sondern um eene Labradorin von etwa die gleiche Größe wie ick, üppig gebaut mit een ausgesprochen schönet Hinterteil. Ick weiß, dit kommt uff die inneren Werte an und ick schwöre, dit ist bei Emma ooch wirklich so. Mit die könnte ick mir een Leben vorstellen. Meine Leidenschaft für Emma sitzt tief in meine Seele. Ick liebe die fast mehr wie meine Bälle. Und hübsch isse zusätzlich noch. Ihre braunen Augen leuchten durch den weißen Vorhang von ihre seidigen Haare. Wenn sie rennt, schwingt ihr ganzet Fell im Wind, sanft wie Federn. Dit Weiß von ihr Fell ist rein wie frisch gefallener Schnee, der in dit Mittagslicht glitzern tut. Und erst ihr Name: Emmmaaaaa. Dieser Klang. Diese Musik. Mmh. Ahhh. Hörste dit? Haste je wat Schöneret gehört?


Ick findet dit echt prima, wenn Emma mir jagen tut und sie mit mir in große Kreise über die Wiese rennt. Ick mache denn extra een bisschen langsamer, dit Emma mir einholt und dann rollen wir beide über die Wiese und denn bin ick ganz nah bei ihr und ihr seidiges Fell kitzelt in meine Nase. Und für een Moment bin ick von Sinnen und glücklich. Denn springen wir wieder uff die Beene und rennen weiter.


Ick stelle mir manchmal abends uff meine Schlafdecke vor, ick sitze neben Emma an een See. Der Wind kommt von die Seeseite und streift durch unser Fell. Sie kuschelt sich an mir und wir legen unsere Köpfe in den Nacken und jaulen gemeinsam den Mond an. Und plötzlich kommt da diese Labradorin mit ihre runde Hüften vorbei und stört mein Traum.


In Wirklichkeit war dit so, dit ick mit Emma nicht an een See war, sondern wir Ball uff unsere Wiese gespielt haben. Ick fang also een Ball aus die Luft uff und schon während ick noch nach dem Ball springe, kommt wat in meine Nase rin, dem ick nicht widerstehen kann. Ick lege den Ball ganz artig ab, werfe een kurzen Blick uff Emma, die mir mit ihre schönen Augen verträumt ankiekt. Denn dreh ick mir uff den Hacken um. Und weg bin ick! Die Labradorin hinterher. Und zwar in Galopp. Mein ganzet Gehirn war wie ausgeschaltet. Ick kieke nicht links und nicht rechts. Ick höre dit verzweifelte Rufen von meine Führungskraft nicht. Ick will nur eins: Uff die Labradorin ruff. Die tut mir am Ausgang vom Park schon ihr Hinterteil in eine verlockend eindeutige Geste hinhalten.


Meine Führungskraft hat mir den ganzen restlichen Tag nicht mehr angekiekt und ooch sonst keene Notiz von mir genommen. Am nächsten Tag gabs een voll ernstes Gespräch. Ick bin jetzte fast zwei Jahre alt. Irgendwann musste dit ja mal kommen. Meine Führungskraft hat mir gesagt, dit sie immer gegloobt hat, ick sei anders, weil ick mir doch noch nie uff diese Weise für Hündinnen interessiert hätte. Dit sie sich da wohl in mir getäuscht hätte und dit wir jetzte wat unternehmen müssen. Denn hat sie mir gesagt, dit sie keene Welpen will und ooch nicht für die uffkommen will, sonst gibt dit nur noch Dosenfutter ausm Aldi. Sie will mir ooch nicht den Rest von mein Leben an die Leine rumführen müssen und so weiter und so fort. Also ick hab nüscht gegen Dosenfutter ausm Aldi und ooch nüscht gegen Welpen. Aber ehrlich gesagt, würde ick eens schon ganz gern: Ick würde gern weiter hin und wieder frei rumloofen. Ick hab sie mit Hundeblick angekiekt, um die Konsequenz zu umgehen. Aber dit hat nüscht genützt. Meine Führungskraft hat einfach ganz streng gesagt, dit die Fellbommeln ooch alle kastriert sind. Und jetzte bin ick eben dran. Da hatte ick keene Argumente mehr.


Jetzte ist dit Gespräch schon een paar Tage her. Ick werde mir also mit den Gedanken anfreunden müssen, meine Männlichkeit nicht an meine Zeugungsfähigkeit festzumachen. Een Glück für mich, dit Emma noch nie an meine bloße Männlichkeit interessiert war und unsere Liebe viel tiefer geht. Sie liebt mir bestimmt ooch noch, wenn ick dick und träge bin. Eben so von innen her.

Euer Alfons


* Da staunste, dit ick so een schwieriget Wort kennen tue, wa? Kennste selber nicht? Olfaktorisch meint riechen, nur in voll elegant, verstehste?

 

Johanna Stein